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Monika Faltermeier, ausgebildete Gymnasiallehrerin, ist Vorsitzende des Jungen BLLV und arbeitet als Mittelschullehrerin an der Marie-Pettenbeck Schule in Wartenberg.

Junglehrerinnen und Junglehrer unter Druck

„Auch wenn wir 200 Prozent geben, reicht es nicht“

Monika Faltermeier, Vorsitzende Junger BLLV, spricht im t@cker-Interview über die enormen Belastungen, unter denen frisch ausgebildete Junglehrerinnen und Junglehrer ins Berufsleben starten. Der Junge BLLV organisiert die 18.000 Junglehrer*innen im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV).

t@cker: Als Mitte Juli die Einstellungszahlen der Lehrerinnen und Lehrer in Bayern für das kommende Schuljahr bekannt gegeben wurden, hieß es: Volleinstellung. Das heißt, sämtliche Lehrerinnen und Lehrer, die im Freistaat ihre Ausbildung erfolgreich absolviert haben, gehen direkt in den Schuldienst. Eigentlich ein Grund zum Feiern – aber Sie sprechen von einem „Berufsstart unter verschärften Bedingungen“. Warum?

Monika Faltermeier: Volleinstellung gibt es, weil wir einen solch großen Lehrermangel haben. Obwohl wir alle Absolventinnen und Absolventen, die in Frage kommen, einstellen, werden wir an den Schulen nicht genügend Lehrkräfte haben! Für die JunglehrerInnen, die im September starten, bedeutet das großen Stress, viele Vertretungsstunden, Doppelführungen, große Klassen und eine rundherum angespannte Situation. Damit befinden sie sich vom ersten Moment an in einer unglaublichen Belastungssituation – und das nach einem langen anstrengenden Studium und einem herausfordernden, durch die Corona-Pandemie noch erschwerten Referendariat. Wir wünschen uns für die JunglehrerInnen völlig andere und viel bessere Startbedingungen.

t@cker: Worin liegen die Ursachen für diesen eklatanten Lehrermangel, der ja nicht nur in Bayern, sondern im Grunde bundesweit herrscht?

Monika Faltermeier: Der Lehrermangel ist ein komplexes Problem, für das es nicht nur einen Grund gibt und keine sofortige Lösung.
Mangelnde Wertschätzung ist aus meiner Sicht der beste zusammenfassende Begriff für die Vielzahl an Gründen. Mangelnde Wertschätzung in Form von zu geringer Besoldung bei verschiedenen Lehrämtern, mangelnde Wertschätzung durch die schlechte und unzureichende Ausstattung der Schulen, durch die veraltete Lehrerbildung, die unsere Junglehrkräfte nicht auf die Aufgaben und Probleme vorbereitet, die sie im Klassenzimmer antreffen. Bildung und die Bildung der Zukunft sollte oberste Priorität für unsere Politikerinnen und Politiker und unsere Gesellschaft haben.

t@cker: Wie wirken sich die verschärften Bedingungen auf die Menschen im Schuldienst aus?

Monika Faltermeier: Die Belastungen sind enorm. Die Klassenstärken steigen immer weiter. Bei einer großen Differenziertheit der Klassen müssen die Lehrkräfte immer mehr Aufgaben übernehmen, für die sie weder die Zeit noch die Ausstattung oder Mittel oder das Personal haben. Dazu kommen die Vertretungsstunden, die Doppelführungen und die psychische Belastung. Wir wissen, dass wir unter diesen Rahmenbedingungen den Kindern nicht gerecht werden können – das schmerzt jede Lehrerin und Lehrer jeden Tag.

t@cker: Das verheißt nichts Gutes für die Qualität der Bildung. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie die nur schleppend vorangehende Digitalisierung dürften gepaart mit dem Personalmangel eine verhängnisvolle Mischung sein …

Monika Faltermeier: Es ist im Grunde unmöglich, die vielen uns zugewiesenen Aufgaben wie Digitalisierung, Inklusion, Demokratieerziehung, Integration, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) umzusetzen und „nebenbei“ den eigentlichen Arbeitsauftrag des Unterrichtens und der pädagogisch differenzierten Förderung aller Kinder zu schultern. In einer Klasse mit 30 Kindern hat jedes dieser Kinder andere Bedürfnisse, Stärken und Schwächen. Wir wollen diesen gerne gerecht werden, haben aber unter derart erschwerten Bedingungen nicht die Möglichkeit, dies zu tun. Das ist sehr belastend und demoralisierend. Auch wenn wir 200 Prozent geben, reicht es nicht.

t@cker: Wenn schon die Politik keine nachhaltigen Lösungen parat hat – wie sähe Ihr Aktionsplan aus, um die Bildungsarbeit in den Schulen fit für die Zukunft zu machen?

Monika Faltermeier: Wir brauchen eine faire und gleiche Besoldung für alle Lehrämter in Form von A13. Wir brauchen eine modernere und flexiblere Lehrerbildung, die es jungen Menschen möglich macht, mit viel Praxiskontakt die verschiedenen Lehrämter kennenzulernen und sich dann zu entscheiden – nicht schon kurz nach ihrem Abitur bei der Einschreibung ohne nennenswerte Erfahrung. Wir brauchen praxisorientierte Strukturen, die die angehenden Junglehrkräfte kompetenzorientiert auf die Realität ihrer Aufgaben vorbereiten, anstatt sie durch bulimisches Lernen Fakten auswendig lernen zu lassen, deren Bezug zur den späteren Aufgaben völlig unklar ist. An den Schulen braucht es eine aufgabenangemessene Personal- und Sachmittelausstattung und generell in Politik und Gesellschaft eine neue Kultur der Wertschätzung für uns Bildungsschaffende. Ende

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