• Laut aktueller Mitte-Studie verharmlosen 8,1 Prozent der 18- bis 34-Jährigen den Nationalsozialismus.
    Laut aktueller Mitte-Studie verharmlosen 8,1 Prozent der 18- bis 34-Jährigen den Nationalsozialismus. Foto: Colourbox

Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Zwölf Prozent teilen rechtsextremes Weltbild

Die Regierung muss verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, sagt Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend. In Sachen Demokratiebildung mache sie einen großen Fehler.

12,3 Prozent der 18- bis 34-Jährigen teilen ein rechtsextremes Weltbild.

Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Die Untersuchung analysiert die Verbreitung und Entwicklung antidemokratischer, menschenfeindlicher und rechtsextremer Einstellungen in der Bundesrepublik. Seit 2006 erscheint sie im Zwei-Jahres-Rhythmus.

„Die Ergebnisse schockieren mich, sie machen mir Angst“, sagt Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend. „Und der dramatische Anstieg von Ansichten, die meinem Verständnis von Demokratie und Menschenrechten fundamental widersprechen, macht mich sprachlos.“

Tatsächlich hat die Verbreitung von Ansichten, welche die Studienautor*innen mit einer rechtsextremen Gesinnung in Verbindung bringen, deutlich zugenommen. Das gilt insbesondere für die junge Generation der 18- bis 34-Jährigen:

  • Befürwortung Diktatur: 7,4 Prozent (2020/21: 4,7 Prozent)
  • Nationalchauvinismus: 14,1 Prozent (2020/21: 4,4 Prozent)
  • Verharmlosung des Nationalsozialismus: 8,1 Prozent (2020/21: 0,0 Prozent)
  • Fremdenfeindlichkeit: 15,2 Prozent (2020/21: 2,3 Prozent)
  • Antisemitismus: 8,6 Prozent (2020/21: 0,0 Prozent)
  • Sozialdarwinismus: 10,7 (2020/21: 1,8 Prozent)
  • Manifest rechtsextremes Weltbild: 12,3 Prozent (2020/21: 1,0 Prozent)

Waren antisemitische Haltungen und solche, die den Nationalsozialismus verharmlosen, laut vorheriger Studie nicht existent, liegen sie nun jeweils bei mehr als 8 Prozent. Und mehr als 7 Prozent der befragten jungen Menschen gaben an, eine Diktatur zu befürworten. „Es ist erschreckend, dass tragende Säulen unserer Demokratie – freie Wahlen, Meinungsfreiheit und Menschenrechte – teilweise nicht mehr als wertvolles Gut erachtet werden“, kommentiert der Vorsitzende der dbb jugend.

Was sind mögliche Ursachen für den Anstieg?

Der Ukraine-Krieg lässt die Energiepreise steigen. Die Migration nach Europa, insbesondere nach Deutschland, nimmt zu. Die Inflation treibt die Preise in die Höhe. In der Wissenschaft ist die Theorie verbreitet, dass vor allem Menschen empfänglich für rechtspopulistische beziehungsweise rechtsextreme Politik sind, die durch gesellschaftliche Entwicklungen, wie etwa die Globalisierung, Nachteile erleben. Das gilt allerdings auch für Personen, die nicht unmittelbar betroffen sind, sondern ihren eigenen sozialen Abstieg lediglich fürchten, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).

Tatsächliche oder gefühlte Nachteile können verschiedene Ebenen betreffen, unter anderem die politische. Betroffene sehen sich nicht mehr von der Politik repräsentiert und beklagen, dass „die da oben ohnehin machen, was sie wollen“. Die Europäische Union sehen sie als „Bürokratie-Monster“, das an der Lebenswirklichkeit vorbei regiert. Eine weitere Ebene ist die ökonomische: Jobverlust und Armut, oder die Angst, dass es dazu kommen könnte, machen die Menschen für rechtsextreme Ansichten empfänglich. „Offenbar treffen diese Phänomene inzwischen leider auch verstärkt auf die junge Generation zu“, resümiert Fandrejewski.

Vertrauen in staatliche Handlungsfähigkeit auf Tiefpunkt

Auch um das Vertrauen in den Staat ist es aktuell nicht gut bestellt – das geht aus der aktuellen „Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst“ hervor, die der dbb im vergangenen August veröffentlicht hat. Demnach sehen 69 Prozent der Menschen den Staat als überfordert an. Nur noch 27 Prozent halten ihn für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen.

„Auch diese Zahlen sind ein Alarmzeichen, das in die Gemengelage passt“, betont Fandrejewski. „Die Politik muss jetzt verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen und Lösungen für die Krisen der Gegenwart finden, die zu spürbaren Verbesserungen führen. Und letztlich müssen wir uns alle jederzeit den Wert unserer Demokratie vor Augen führen und sie verteidigen.“ Dabei sei vor allem die politische Bildung von zentraler Bedeutung. „Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen unverständlich, wie die Bundesregierung auf die Idee kommt, ausgerechnet jetzt die Ausgaben für die Bundeszentrale für politische Bildung zu kürzen.“

Demokratieförderung gefährdet

Die Behörde, die zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums gehört, soll laut Haushaltsentwurf im Jahr 2024 mit 76 Millionen Euro auskommen. Das entspricht einem Minus von 20 Millionen Euro. Thomas Krüger, Vorsitzender der Bundeszentrale für politische Bildung, sieht durch die Einsparungen Projekte für die Demokratieförderung gefährdet, insbesondere in Ostdeutschland. Das sagte er dem „Tagesspiegel“.

Im Koalitionsvertrag hingegen hatte die Ampel-Regierung angekündigt, mehr Geld zur Verfügung zu stellen: „Wir wollen die politische Bildung und die Demokratiebildung entlang der Bildungskette stärken, die Projektmittel der Bundeszentrale für politische Bildung erhöhen und die Unabhängigkeit ihrer Arbeit achten“, heißt es auf Seite 77. Fandrejewski: „Erhöhungen versprechen, aber dann kürzen? Das ist nicht nur inhaltlich falsch. Mit genau solchen Aktionen fördert man letztlich Politikverdrossenheit.“

Text: Christoph Dierking