• Theorie und Praxis besser verzahnen – das ist ein zentrales Anliegen des Flexiblen Lehrkräftebildungsmodells des BLLV. Foto: Jan Roeder

Bayerischer Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV)

Flexibilität statt Einbahnstraße: Wie junge Lehrkräfte ihre Ausbildung verbessern wollen

In der Universität bloß Theorie, dann im Referendariat der Praxisschock: So erleben es viele angehende Lehrer*innen. Der Junge BLLV fordert ein Umdenken und schildert seine Vision für die Lehrkräfteausbildung der Zukunft.

Die Anforderungen an die Schulen und damit an Lehrkräfte haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert – und sie werden auch weiterhin wachsen. Schon heute fühlen sich viele angehende, aber auch erfahrene Lehrkräfte, nur noch unzureichend gewappnet. Der mangelnde Bezug zum Berufsalltag sowie neue Herausforderungen wie Inklusion, Integration und Digitalisierung machen eine Reform der Lehrkräftebildung notwendig. Diese fordert die Jugendorganisation des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV).

Um die Situation zu verbessern, bedarf es einer qualitativ hochwertigen Lehrkräftebildung, die Inhalte kontinuierlich evaluiert und zeitgemäß aktualisiert. Es braucht zudem sowohl inhaltliche als auch zeitliche Flexibilität in allen drei Phasen der Lehrkräftebildung, unterstreicht der BLLV. In Bayern unterteilen sich diese Phasen in die universitäre Ausbildung und in das sich anschließende, zweijährige Referendariat mit dem Abschluss des zweiten Staatsexamens. Außerdem finden während des gesamten Berufslebens Fort- und Weiterbildungen statt. Carina Schmidt-Bock, stellvertretende Vorsitzende des Jungen BLLV, kritisiert die aktuellen Gegebenheiten scharf:

„Was bringt mir die Shakespeare-Literaturanalyse, wenn ich im Referendariat plötzlich vor einer Grundschulklasse stehe, ohne zu wissen, wie ich mit schwierigen Kindern umgehe oder wie Elternarbeit aussieht? Kein Wunder, dass dieser Praxisschock angehende Lehrkräfte abschreckt!“

Eine Moderne Lehrkräftebildung hat das Potenzial, die Attraktivität und Wertigkeit des Studiums und des Lehrkräfteberufs zu steigern, und kann auch der Schlüssel für mehr Passgenauigkeit bei der Stellenbesetzung sein. Der BLLV setzt sich mit seinem flexiblen Lehrkräftebildungsmodell für eine Modernisierung, Flexibilisierung und vor allem praxisnahe Gestaltung der Lehrkräftebildung ein. Doch wie lassen sich unter anderem begleitete Praxiserfahrungen und eine nachhaltigere Vorbereitung auf den Schulalltag in die erste Phase des Studiums beziehungsweise der Ausbildung integrieren?

So funktioniert das BLLV-Modell

Das Flexible Lehrkräftebildungsmodell des BLLV berücksichtigt drei Dimensionen: erstens den Entwicklungsprozess der zukünftigen Lehrer*innen, zweitens wissenschaftliche Erkenntnisse und drittens die Anforderungen der schulischen Realität. Im Folgenden vier konkrete Bausteine des Modells.

Gemeinsame Studieneingangsphase

Statt sich wie bisher im ersten Semester für ein Lehramt zu entscheiden, würden Studienanfänger*innen laut BLLV-Modell zunächst ein gemeinsames, pädagogisches Grundstudium absolvieren. In dieser Studieneingangsphase sollen sie ihre Studienwahl, bezogen auf die Unterrichtsfächer, und die Berufswahl an sich reflektieren, sich in der Schullandschaft orientieren und sich von den spezifischen Herausforderungen ein Bild machen. Um dies zu ermöglichen, gilt es, Beratungs-, Coaching- und Workshopangebote an den Zentren für Lehrkräftebildung auszubauen.

Spezialisierung

Am Ende der Studieneingangsphase steht die reflektierte und fundierte Entscheidung für folgende Spezialisierungen: Grundschulpädagogik, Sonderpädagogik, Beibehaltung der beiden Fächer im Lehramt oder Wechsel in ein nicht lehramtsbezogenes Studium. In den Semestern vier bis sechs liegt der Schwerpunkt auf der fachlichen Vertiefung in allen Gebieten. Nach der Entscheidung für eine Spezialisierung wird ein gewähltes Unterrichtsfach durch Grundschulpädagogik beziehungsweise Sonderpädagogik ersetzt.

Berufseinstieg/Master

Am Ende der Bachelorphase steht entweder die Fortsetzung mit einem Masterstudium oder der Einstieg in ein außerschulisches Berufsleben. Aufgrund des Bachelorabschlusses ist sowohl die Fortsetzung mit dem Master of Education (Lehramt) als auch mit anderen Masterstudiengängen möglich. In der Masterphase liegt der Schwerpunkt auf der fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Vertiefung. Eine Profilbildung im Master soll es angehenden Lehrkräften ermöglichen, sich noch intensiver für besondere Herausforderungen wie Inklusion, Digitalisierung oder Integration zu qualifizieren. Dabei werden die Spezifika der weiterführenden Schularten berücksichtigt.

Praxisbezug

Den Praktika erfüllen eine Schlüsselfunktion. Sie werden als schulpraktische Studien mit professioneller Betreuung verstanden. Die angehenden Lehrer*innen übernehmen Schritt für Schritt Verantwortung für die Unterrichtsgestaltung und reflektieren diese kontinuierlich.

Die Intensität der Praktika vom Orientierungspraktikum bis zu den großen schulpraktischen Studien mit zusammenhängendem Unterricht nimmt zu. Dies trägt der fachlich und pädagogischen Kompetenzentwicklung Rechnung und lässt die Studierenden zunehmend Verantwortung für ihr Handeln in der Schule übernehmen. Ein zentrales Ziel dieser Vorgehensweise: den Praxisschock zu Beginn des Vorbereitungsdienstes vermeiden und fundiertes, eigenverantwortliches Unterrichten ab dem ersten Schultag als Referendar*in ermöglichen.

Die großen schulpraktischen Studien in der Masterphase dienen der engen Vernetzung der universitären Ausbildung und der Schulwirklichkeit, der abschließenden Kompetenzprüfung, der fundierten Vorbereitung für den eigenverantwortlichen Unterricht und der wissenschaftlichen Reflexion in der Masterarbeit. Dies führt zu einer deutlichen Qualitätssteigerung, vor allem zu Beginn des Referendariats, und damit auch zu einer zunehmenden Akzeptanz von Referendaren als Lehrkräfte seitens der Erziehungsberechtigten.

Unnötige Verzögerungen vermeiden

Das BLLV-Modell für Flexible Lehrkräftebildung hat das Potenzial, die „Einbahnstraße Lehramt“ abzulösen, unterstreicht der Junge BLLV – und zwar durch ein abwechslungsreiches Wegenetz, das innerhalb und außerhalb des Lehramts erfolgreich zu unterschiedlichen Zielen führt. Die international anerkannten Abschlüsse sorgen für Mobilität und Flexibilität, insbesondere für Studierende, die (zunächst) eine andere berufliche Option wählen möchten oder nicht in den bayerischen Staatsdienst gehen können, etwa wegen der Einstellungssituation.

Der BLLV betont: Das Modell vermeidet unnötige Verzögerungen oder gar Verluste von Studierenden auf der Ausbildungsstrecke, was gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels ein wichtiger Schritt wäre. Die stellvertretende Vorsitzende, Carina Schmidt-Bock, ergänzt im Namen des BLLV:

„Um erfolgreich in den Beruf starten zu können, darf die Reform aber nicht nach dem Studium enden: Wir fordern eine stärkere Verzahnung mit dem anschließenden Referendariat. Weiterhin braucht es auch im Berufsleben passgenaue, hochwertige Angebote sowie Zeit für Fortbildungen und kollegiale Zusammenarbeit. Nur so können wir die Kinder auf ihre Zukunft vorbereiten.“

Noch tiefer in die Flexible Lehrkräftebildung einsteigen? Weitere Informationen stellt der BLLV in seinem Konzeptpapier zur Verfügung. Außerdem hält der Verband Interessierte auf seiner Website regelmäßig auf dem Laufenden.

Text: Sabine Brunnmair/Carina Schmidt-Bock