• Fast ein Viertel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst erlebt Gewalt. Dies geht aus einer BMI-Studie hervor, an der auch der dbb beteiligt war.
    Fast ein Viertel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst erlebt Gewalt. Dies geht aus einer Studie des Bundesinnenministeriums hervor, an der auch der dbb beteiligt war. Foto: Colourbox

Gewalt gegen Staatsbedienstete

„Die aktuelle Situation ist nicht hinnehmbar“

Fast ein Viertel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst erlebt Gewalt am Arbeitsplatz. Christian Habrecht von der AG Sicherheit fordert mehr Unterstützung für Betroffene und konsequentes Durchgreifen.

Ausreichend Licht im Büro, korrekte Sitzposition mit angemessener Entfernung zum Bildschirm, technisch geprüftes Arbeitsgerät: All das fällt unter den Arbeitsschutz, deren Einhaltung die Behörden mit Argusaugen überwachen. Bei anderen Themen, die ebenfalls die Sicherheit betreffen, besteht hingegen Nachholbedarf.

23 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben bereits Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz gemacht. 12 Prozent erlebten innerhalb eines Jahres sogar mehrfach Übergriffe. Das sind die erschütternden Ergebnisse einer Studie, die das Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben hat.

Bei den 23 Prozent handelt es sich nicht ausschließlich um Polizeibeamtinnen und -beamte, Feuerwehrleute sowie Rettungs- und Ordnungskräfte, bei deren Tätigkeit derartige Ereignisse eher zu erwarten sind. Nein, betroffen sind unter anderem auch Lehrkräfte und Mitarbeitende des Sozialdienstes.

Angriffe hinterlassen Narben

Beamtinnen und Beamte sowie alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst repräsentieren den Staat. Angriffe auf ihre körperliche und seelische Gesundheit sind aus Sicht der AG Sicherheit Angriffe auf die Demokratie und unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung. Das sollte niemand kleinreden. Die aktuelle Situation ist nicht hinnehmbar.

Kolleginnen und Kollegen berichten von Menschen, mit denen sie nicht alleine im Büro sein wollen, wenn sie Beratungsgespräche führen. Von Menschen, bei denen sie nur mit Verstärkung der Polizei Hausbesuche abhalten, weil Beleidigungen und Übergriffe nicht nur wahrscheinlich, sondern garantiert erscheinen.   

Jede Beleidigung, jeder Mittelfinger und jeder körperliche Angriff ruft Angst hervor und kann körperliche und psychische Narben hinterlassen. Das lähmt nicht nur die Betroffenen bei der Ausübung ihres Dienstes. Es macht auch den öffentlichen Dienst irreparabel unattraktiv.

AG Sicherheit fordert konsequentes Vorgehen 

Grundsätzlich haben alle das Recht, einen Strafantrag zu stellen. Allerdings kommt es selbst, wenn sich die Justiz mit dem Strafantrag beschäftigt, selten zur Anklage. Beschuldigte werden lediglich verwarnt, die Verfahren eingestellt. Eine schlüssige Erklärung der Entscheidung unterbleibt zumeist und verursacht bei den Geschädigten großen Unmut.

Alle, die im Dienst beleidigt oder angegriffen werden, sollen wissen: Sie sind nicht alleine. Die dbb jugend macht sich für sie stark. Die AG Sicherheit will durch Aufklärung und Handlungsanleitungen, welche auf Schulungen vermittelt werden sollen, jeden Kollegen und jede Kollegin auf den Umgang mit Gewalterfahrungen vorbereiten. Alle sollen über ihre Rechte als Geschädigte in einem Strafverfahren informiert sein, damit sie für sich und ihr Recht eintreten können. 

Die AG Sicherheit fordert: Es soll zukünftig nicht mehr möglich sein, Strafverfahren zum Nachteil von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes niederschwellig einzustellen. Einige Bundesländer haben bereits erste Schritte in die richtige Richtung unternommen: Sie entschädigen Opfer von Gewalt und sorgen dafür, dass sie auf Wunsch auch seelische Unterstützung bekommen. Und vereinzelt gibt es Vereinbarungen mit der Justiz, welche die Bearbeitung von Strafanträgen, die Betroffene aus dem öffentlichen Dienst stellen, verbessern. Dies sind jedoch nur erste Schritte.

Eines muss unabdingbar klar sein: Wer in der Ausübung seines Dienstes täglich für einen funktionierenden Staat und dessen Institutionen sorgt, muss sich darauf verlassen können, dass er seinen Job frei von Sorge und der Angst vor Übergriffen ausüben kann. Dafür muss der Staat als Dienstherr sorgen – und vor allem die Maßstäbe anlegen, die auch beim Arbeitsschutz im Büro gelten.

Text: Christian Habrecht